Obdachlose
Menschen ohne feste Bleibe zählen seit Abisag Tüllmanns frühen Streifzügen durch Frankfurt am Main und ihrem Publikationsprojekt „Großstadt“ zu einem der wichtigsten, ihr Gesamtwerk bestimmenden Themen. So porträtierte sie seit 1957 und bis wenige Monate vor ihrem Tod konstant jene Ohne Obdach.
„Zwei sehr unterschiedliche Männer, beide Anfang fünfzig, haben bewirkt, daß ich seit einiger Zeit hingucke statt schnell den Blick abzuwenden, wenn ich Menschen ohne Obdach begegne. Der eine, ein (entfernter) Freund, verließ in einer Krise seine Wohnung, seine Studenten, seine Arbeit als Künstler und Graphiker und gesellte sich zu denen, die ruhelos durch die Bundesrepublik irren, in Bahnhofsmissionen um Essen, eine Ubernachtung, eine Fahrkarte bitten… Ich denke oft an ihn, wenn ich jemanden so elend in einer Ecke schlafen sehe, wenn es tage- und nächtelang regnet, in der Kälte des Winters …“
(Abisag Tüllmann, in: Maxim Gorki. Nachtasyl, Szenen aus der Tiefe / Ohne Obdach. Photographien von Abisag Tüllmann aus Frankfurt am Main und Berlin 1989-1992, Berlin: Schaubühne, 1992)