Reportagen Gesellschaft
Rückblickend beschrieb Abisag Tüllmann ihre fotografische Entwicklung 1976: „Ich hatte ‚Kunst‘ im Kopf und habe formalistische, ästhetische Fotos gemacht, eher das Gegenteil von dem, was man heute Fotojournalismus nennen würde. Damals interessierten mich Strukturen, heute mehr zu berichten, wie Menschen leben.“
Die „formalistischen“ Fotos wichen bereits in den frühen 1960er Jahren Tüllmanns teilnehmendem Blick auf die Gesellschaft, in der sie lebt, ihre kleinen Absurditäten, die diversen Lebensformen, die Rahmenbedingungen und vor allem Ungerechtigkeit. Sie beobachtet feinsinnig, wie Menschen sich im öffentlichen und privaten Raum bewegen, wie sie arbeiten, konsumieren, feiern, lernen, demonstrieren, wie sie am Rande existieren, oder sich ganz oben, an der Macht, bewegen. Reißerisch sind ihre Aufnahmen dabei nie, sondern eher stille Kommentare, die ihre Gültigkeit bis heute bewahren.